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#Fotografie: Annelise Kretschmer im Modersohn-Becker-Museum

Selbstbildnis von Annelise Kretschmer aus dem Jahr 1929 in der Ausstellung des Paula-Modersohn-Becker-Museums. Foto © Christiane von Königslöw

Annelise Kretschmer ist eine der ersten Frauen, die in Deutschland ein eigenes Fotoatelier eröffnen. Sie lebte so, wie sie viele Frauen in der Weimarer Zeit auch porträtiert: Selbstbewusst, nach dem role-model der „neuen Frau“. Das Modersohn-Becker-Museum zeigt rund 80 Originalabzüge von Fotografien der 1903 geborenen Künstlerin.

Die in Bremen größtenteils nie gezeigten Vintage Prints spiegeln die nahezu 60 Jahre dauernde Schaffensphase der Künstlerin wider: 1922 beginnt sie ihre fotografische Ausbildung und 1978 erst gibt sie ihr Atelier in Dortmund auf. Kretschmers Mann, der Bildhauer Siegfried Kretschmer kümmerte sich vorrangig um die Kinder – und verstirbt nach 25 Jahren Ehe bereits 1953. Die letzten zwanzig Jahre ihrer Berufstätigkeit wird Kretschmer von der 1940 geborenen Tochter Christiane unterstützt, über die auch die Fotografien der Nachwelt erhalten wurden.

Annelise Kretschmer porträtiert ihre Tochter Nina als Fünfjährige im Jahr 1943. Foto: © Christiane von Königslöw

Foto-Porträts von Kindern und Prominenten

In der Ausstellung sind vor allem Porträts zu sehen: Von ihren eigenen und anderen Kindern, von Bäuerinnen und Bauern aus Worpswede (wo Kretschmers Familie ab 1937 für einige Jahre lebt), von Unbekannten – und von Prominenten aus der Kunstszene rund um das Museum Ostwall in Dortmund. Thomas Linden, der Kretschmer 2003/4 entdeckt und die zuerst in Köln gezeigte Ausstellung zusammengestellt hat, zitiert in seinem Katalogbeitrag Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799): „Die unterhaltendste Fläche auf der Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht“.

Die feinen Nuancen in den Fotografien können wohl vor allem Fortgeschrittene ausreichend erkennen und wertschätzen. Die in einem wohlhabenden Elternhaus geborene Kretschmer beginnt ihre sehr erfolgreiche Tätigkeit in der Zeit der „neuen Sachlichkeit“. Ihr, wenn man so will: Stil, sei aber eigenwillig und von jener schon zu unterscheiden. Sie gründete keine eigene „Schule“ und gehörte auch keiner an.

1829 in Paris aufgenommen. Nach der Reise eröffnete Annelise Kretschmer ihr eigenes Fotostudio. Foto: Paris, 1928, © Christiane von Königslöw

Der Katalog enthält alle in der Ausstellung gezeigten Motive in sehr guter Qualität. Er ist im Emons Verlag Köln erschienen (Annelise Kretschmer. Photographien; 120 Seiten, 19,95 EUR). Das Museum bietet ein bemerkenswert umfangreiches Begleitprogramm zu dieser Ausstellung an.

Annelise Kretschmer. Fotografien 1922 bis 1975. Noch bis 21. Mai. Paula-Modersohn-Becker-Museum, Böttcherstr. 6-10, 28195 Bremen. Geöffnet dienstags bis sonntags 11-18 Uhr, Eintritt 8 EUR, ermäßigt 6 EUR.

Text: Bernd Hüttner

Beitragsbild: Annelise Kretschmer: Paris, 1928, © Christiane von Königslöw