Katja Kullmann ist eine charismatische Journalistin und Autorin, die im Leben als Kreative schon Höhen (mit ihrem Erstling „Generation Ally“), aber auch Tiefen erlebt hat, worüber sie in ihrem Buch „Echtleben“ berichtet. dieGlucke konnte mit Katja Kullmann im Palast der Produktion sprechen, nachdem sie bei der Veranstaltung über „Selbstsorge und Echtleben“ aus ihrem Buch gelesen hatte. Angeregt durch die Diskussion über die Neigung der Menschen, sich egal ob als Kreative oder Angestellte, durch ihre Sehnsucht nach Anerkennung tendentiell selbst auszubeuten, beantwortete die Autorin einige Fragen ungewöhnlich ausführlich und druckreif formuliert. Zum Kürzen viel zu schade, findet dieGlucke und veröffentlicht deshalb das Interview in drei Teilen. Heute Teil I: Über Selbstausbeutung
Nach Deinem Bucherfolg mit Echtleben: Was hat sich für Dich geändert, was sind Deine persönlichen Konsequenzen? Und wie gehst Du mit dem Problem der Selbstausbeutung um?
Der Begriff ,Selbstausbeutung‘ ist ja ziemlich drastisch. Auch ich habe ihn schon benutzt, denn er markiert die Zwänge, unter denen Freiberufler oft stehen, vor allem den ungeheuren Erwerbsdruck bei stetig sinkenden Honoraren und immer schlechteren Vertragskonditionen. Man darf den Begriff ,Selbstausbeutung‘ aber nicht inflationär gebrauchen. Beim freien Arbeiten gibt es ja auch ein Ideal, einen Anspruch, autonom, unabhängig, selbstbestimmt zu handeln – und dieses ernsthafte Ideal darf man, bei aller Kritik an den ökonomischen Verhältnissen, nicht klein reden.
Ich verdiene weniger, tue aber Dinge, die ich für sinnvoll erachte
In meinem Fall ist es so: Fast zehn Jahre hatte ich als freie Autorin und Journalistin gearbeitet, teils ziemlich erfolgreich – bis ich irgendwann, wie so viele, nicht mehr davon leben konnte, für eine Weile. Da hat mich ein fester Job als Ressortleiterin in einem Magazinverlag dann kurzzeitig gerettet, das war im Jahr 2009. Das war ein Marketing-getriebener Pipifax-Journalismus, der dort gefragt war, und ich musste dann selbst an den Honoraren der freien Mitarbeiterinnen herumschrauben, nach unten natürlich. Zu meinem 40. Geburtstag habe ich die Konsequenz gezogen: Ein solcher Job ist die totale Selbstverleugnung, letztlich also auch ,Selbstausbeutung‘ – zum Wohle eines zweifelhaften Großverlags. So geht es auch nicht. Lieber gebe ich dieses mickrige Chefinnen-Büro her und arbeite wieder frei, mit deutlich weniger Geld, also wirklich: viel weniger. Aber dafür tue ich Dinge, die ich für sinnvoll erachte und vor allem: für die ich mich nicht schäme. Das geht natürlich nur, weil ich sowieso keinen Sinn für Konsum-Schnickschnack habe, und ich muss auch keine Familie ernähren, da bin ich ganz ,frei‘. Und so habe ich den Begriff ,Freiheit‘ also ziemlich wörtlich genommen, indem ich mich auch von der Idee ,Ich will reich werden‘ ein für allemal befreit habe.
All das habe ich unter anderem ja auch im Buch Echtleben verhandelt – und die große Resonanz, die darauf kam, hat mich bestätigt. Ich habe den Eindruck, dass wir alle, die Gesellschaft sozusagen, den Sinn des Begriffs ,Arbeit‘ gerade ganz neu verhandeln, auch die Fragen nach ,Werten‘, ,Inhalten‘ und ,Sinn‘.
2. Und wie schützt Du Dich jetzt gegen das, was wir Selbstausbeutung nennen? Wo und wie ziehst Du Grenzen?
Ich bin als Freie zur Zeit so glücklich mit meiner ,Arbeit‘ und meinem Leben wie lange nicht mehr. Vier Bücher habe ich inzwischen veröffentlicht, darunter auch ein kleiner Roman, und an diesen Sachen will ich weiterarbeiten, komme was wolle. Wie gesagt: Das inhaltliche Glück überwiegt für mich vor der – vermeintlichen – finanziellen Sicherheit. Immer wieder muss ich natürlich Kompromisse machen, z.B. auch mal Aufträge annehmen, die nicht gerade zu intellektuellen Glanzstücken zählen, aber halbwegs gut bezahlt sind – und mit solchen Sachen finanziere ich mir dann die Arbeit an Dingen, die mich wirklich interessieren, etwa für kleine, unabhängige Zeitungen, die nur sehr wenig zahlen können. Es ist und bleibt eine Mischkalkulation. Aber ich bin durch beide Erfahrungen – das totale Abgebranntsein und das sehr Erfolgreichsein – sehr viel reifer geworden und finde heute leichter eine Balance als früher. Ich überprüfe alles immer wieder, bin oft auch streng mit mir. Jedenfalls mache ich kein Yoga und halte mich weiterhin von allem fern, was sich ,Coaching‘ oder ,Therapie‘ nennt. Und das Allerwichtigste: Zwar blogge ich und nutze das Internet von Anfang an als aktive Userin – aber ich habe bis heute kein Smartphone. Oft arbeite ich drei, vier Wochen am Stück wie eine Wahnsinnige. Aber es gibt immer wieder Phasen, ein paar Tage, mal auch eine ganze Woche, in denen ich einfach nicht erreichbar bin. Da bin ich auch ziemlich rigide, diese Schutzräume verteidige ich ganz bewusst. Und, ehrlich gesagt, gab es da auch noch nie Probleme. Ich bin ganz stark davon überzeugt: Diese Twitter-Hysterie, der ständige Updatezwang, dieses äffchenhafte Hinterhecheln hinter allem, das wird sehr bald vorbei sein. In ein paar Jahren werden wir darüber genauso lachen wie heute über ,After Work Clubs‘.
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