Boomtown Bremerhaven hieß es lange Zeit, so residierte hier zum Beispiel der größte Fischereihafen Europas oder gerade auch noch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Auswandererhafen. Die politische Geschichte hat in diesem Museum ebenso ihren Platz wie Alltagsphänome wie Arbeiterkneipen, ein Fischgeschäft oder Kino – 1960 gibt es in Bremerhaven 19 davon. Wer sich einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Stadt und ihrer Vorläuferstädte seit 1827 verschaffen will, findet ihn im Historische Museum Bremerhaven. Es bietet eine gut gemachte Ausstellung und wer sich alles auch nur einigermaßen ansehen will, sollte mindestens vier Stunden Zeit für die wirklich besuchenswerte Alternative zu Schifffahrtsmuseum und Auswandererhaus mitbringen.
Bilder der Nachkriegszeit
Zurzeit ist eine Ausstellung mit historischen Pressefotos von Georg Rogge (1910-1975) zu sehen, die jener in der Nachkriegszeit im Auftrag der Lokalzeitung anfertigte. Sie zeigen zum einen die Zerstörung Bremerhavens und dann im Fortgang der Zeit – ob gewollt oder ungewollt – die Vorherrschaft von Industrie und Hafen vor dem Aufbau der Infrastruktur, etwa dem Wohnungsbau. Hinzu kommt die Präsenz der US-Armee. 1950 ist sie der größte Arbeitgeber in Bremerhaven, über 12.000 Personen arbeiten für sie. Zum symbolträchtigen Datum des 1. Mai 1950 erst werden die Lebensmittelkarten und die damit verbundene Rationierung abgeschafft. Imposante Neubauten stehen neben Behelfsunterkünften.
Bremerhaven im Lauf der Zeit
Neben allerlei Skurrilitäten geben die Fotos einen guten Eindruck vom Leben jener zwei Jahrzehnte bis circa 1965, auch wenn sie natürlich einer gewissen Meistererzählung des gemeinsamen Wiederaufbaus, des „es geht wieder aufwärts“ folgen. Wer sich aber auf die Bilder einlässt, wird eher verstehen, warum der Niedergang von Werften und Fischindustrie, wie auch später der Abzug der US-Armee für Bremerhaven wirtschaftlich – und darüber hinaus – so einschneidend war.
Zu dieser sehenswerten Sonderausstellung ist auch eine Publikation (224 Seiten, 332 Abbildungen, 22,00 Euro) erschienen (mehr).
Das Historische Museum Bremerhaven (An der Geeste, 27570 Bremerhaven) wurde bereits 1906 gegründet. Seit 1991 befindet es sich in einem imposanten Neubau unweit der Küstenpromenade, direkt an der Geeste. In sieben Abteilungen auf zwei Stockwerken werden maritime Themen wie Schiffe und Schiffbau, Hafen und Hafenarbeit, Hochseefischerei und Auswanderung präsentiert – und das auf eine sehr sehr ansprechende Weise.
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr. Museumscafé mit Selbstbedienung
Text: Bernd Hüttner. Fotos: © Historisches Museum Bremerhaven