In Bremen gab und gibt es viele Frauen, die als Politikerinnen, Literatinnen, Lehrerinnen, Frauenrechtlerinnen oder Unternehmerinnen eine bedeutsame Rolle innehatten und haben. dieGlucke stellt in Kooperation mit dem Bremer Frauenmuseum in loser Reihe bedeutende Bremerinnen vor, um den Stellenwert dieser Frauen für unsere Gesellschaft deutlich zu machen. Heute: Martha Goldberg und Selma Zwienicki, die beide in der Reichspogromnacht 1938 ermordet wurden.
Martha Goldberg – engagiert für die Ärmsten der Armen
Martha Goldberg ist die bekanntere der beiden Frauen, ihre bis dahin vergessene Geschichte und Bedeutung für das soziale Leben in Burgdamm bis zu den 1930er Jahren wurde in den 1980ern in mehreren Publikationen gewürdigt. Ihr außergewöhnliches soziales Engagement über mehr als vier Jahrzehnte verhalf ihr seit der Jahrhundertwende in Bremen-Lesum zu höchstem Ansehen. 1873 als Tochter des wohlhabenden Kaufmanns Adolph Sussmann und seiner Ehefrau Bertha, geb. Ahrens, in Schwerin geboren, heiratete sie 1895 den in Soltau geborenen Arzt Dr. Adolph Goldberg und zog mit ihm nach Burgdamm, das seit 1939 zu Bremen gehört. Als Mutter von drei Kindern bewältigte sie neben dem Haushalt und der Erziehung der Kinder auch noch die Arbeit als Sprechstundenhilfe, Sekretärin und Buchhalterin in der Praxis ihres Ehemanns, des Arztes Dr. Adolph Goldberg und pflegte gesellschaftliche Kontakte mit Nachbarn, den Familien der Angestellten und den angesehenen Bewohnern von Burgdamm.
Suppe für die Bedürftigen
Das jüdische Ehepaar war sozial sehr engagiert und unterstützte vor allem kinderreiche und durch die Massenarbeitslosigkeit verarmte Familien auf vielfältige Weise, zum Beispiel versorgte Martha mit ihrer „Suppenküche“ bedürftige Mitbürger, ihr Mann behandelte mittellose Kranke auch unbezahlt. Nachdem die Nazis die Macht übernommen und mit der Verhängung der Rassegesetze 1935 Juden in Deutschland systematisch isoliert und verfolgt hatten, geriet das vormals hoch geachtete Ehepaar in völlige Isolation und lebte zuletzt in höchster Einsamkeit.
Selma Zwienicki – erfolgreich als Unternehmerin und Familienmanagerin
Auch Selma Zwienicki lebte bis zur Machtübernahme Adolf Hitlers anerkannt und erfolgreich als Selbstständige zusammen mit ihrem Mann Joseph Zwienicki in Bremen. Die 1882 in Hamburg als jüngstes von sechs Kindern des Schumachers Koppel Stiefel und seiner Frau Elise, geb. Cohen, geborene Selma erlernte zwei Berufe: Kindergärtnerin und kaufmännische Sekretärin. Nachdem sie 1916 geheiratet hatten, eröffnete das Ehepaar Zwienicki eine Fahrrad- und Motorradhandlung in der Neustadt, in der Joseph für handwerkliche Arbeiten und Selma für Buchführung sowie Ein- und Verkauf zuständig war. Das Geschäft florierte. Daneben führte Selma Zwienicki den Haushalt und versorgte die vier gemeinsamen Kinder, war auch für ihre religiöse Erziehung zuständig. Doch auch Selma Zwienicki und ihre Familie litten als Juden sehr unter den verschärften Macht- und Lebensverhältnissen und dem Aufruf, jüdische Geschäfte zu boykottieren. Ab 1937 erzielte ihr Unternehmen keine Gewinne mehr.
Stolpersteine zum Gedenken
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden Selma Zwienicki (ihrem Mann Joseph gelang die Flucht vor der SA) sowie Martha Goldberg zusammen mit ihrem Ehemann Adolph von ihnen völlig unbekannten SA-Mitgliedern in ihren Wohnungen ermordet. Sie gehörten somit zu den fünf Bremer Opfern der Reichspogromnacht, als auf Befehl der Nazis im ganzen Land Juden ermordet und verhaftet, deren Geschäfte geplündert und Synagogen in Brand gesetzt wurden. Stolpersteine – kleine Pflastersteine mit Messingtafel und den Daten der Opfer –, erinnern vor den ehemaligen Wohnhäusern der beiden Frauen in der Hohentorstraße/Ecke Große Sortillienstraße in der Bremer Neustadt sowie in der Bremerhavener Heerstr. 18 (ehemalige Straßenbezeichnung: Bahnhofstr. 144) in Lesum an ihr Schicksal. Seit 1985 gibt es in Bremen-Lesum einen Goldbergplatz mit einem Gedenkstein in seiner Mitte, der an die Ermordung von Martha und Adolph Goldberg in der Reichspogromnacht erinnert. Nach Martha Goldberg ist außerdem ein Kindergarten in Bremen benannt.
Veranstaltungen gegen das Vergessen
Auch dieses Jahr gibt es Gelegenheit, sich an die grausamen, menschenverachtenden Strukturen und Taten zur Nazizeit zu erinnern und der fünf Ermorderten Selma Zwienicki, Martha und Adolph Goldberg, Heinrich Rosenblum und Leopold Sinasohn in Bremen zu gedenken:
Freitag, 9. November 2012, 12.00 Uhr, Mahnmal Dechanatstraße
Gedenkstunde für die Opfer der Reichspogromnacht
der Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft
Montag, 12. November, 19 Uhr, Stadtbibliothek
„Geraubte Kindheit – Ein Junge überlebt den Holocaust“
Buchvorstellung und Filmvorführung mit Thomas Geve.
Film „Thomas Geve – Nichts als das Leben“ von Dr. W. Rösing
Donnerstag, 15. November, ab 18 Uhr im Rathaus
Die 15. „Nacht der Jugend“. Motto „Erinnern reicht nicht“
Weitere Infos und Termine zu den Stolpersteinen gibt es auf der Internetpräsenz www.stolpersteine.bremen.de.