Bremen ist eine Stadt voller kreativer Köpfe in Kunst, Kultur und Wirtschaft. dieGlucke stellt in loser Reihe das kreative Bremen vor. Heute: Eva-Maria Oelker mit ihrem Kultur-Café Radieschen.
Eva Radieschen trägt ein grünes Satinkleid für offizielle Termine oder das Pressefoto, ordentlich frisierte Haare mit kleiner Spange, strahlendes Lächeln, 1950er Jahre-Appeal. Seit August 2011 residiert sie mit ihrem Café Radieschen – Kaffee – Erinnerungen im ehemaligen Blumengeschäft am Friedhof Buntentor in der Bremer Neustadt. Seither lebt sie die Idee, den Menschen einen Ort der Begegnung zu bieten, am Schnittpunkt zwischen dem Leben, also dem quirligen, bevölkerten Buntentorsteinweg, und dem Sterben, sprich dem angrenzenden Friedhof.
Im echten Leben heißt Frau Radieschen Eva-Maria Oelker und ist genauso präsent und patent wie ihr Alter ego. „Als Eva Radieschen spiele ich keine Rolle, sondern zeige eine Facette meiner Person“. Die erfahrene Kulturmanagerin kennt die Wirkung von Bildern und setzt sie ein, inszeniert. Auch das Café wirkt, als hätte sich die Welt zurückgedereht, die Wände rosarot und apfelgrün gestrichen, Tische mit gestärkter, weißer Decke, goldberandete Sammeltassen im Regal und ein funkelnder Kronleuchter an der Decke, wie im Tanzcafé. Doch nicht nur dank W-LAN und Hörbar wird schnell klar, das Konzept ist nicht nach hinten gerichtet, sondern der Zukunft zugewandt. „Leben muss man vorwärts“, lautet die Devise von Eva-Maria Oelker. Erinnerungen sind erwünscht, sie stehen explizit im Namen des Cafés, dazu gehört aber auch die Auseinandersetzung mit den Themen der Zukunft. Deshalb finden hier nicht nur Trauerfeiern, sondern auch Taufen und andere Feste statt, wird an Ostern nach Eiern gesucht.
Theater und Café ergänzen sich ideal
Seit 15 Jahren lebt die gebürtige Nordrhein-Westfälin in Bremen, zehn Jahre davon beschäftigt beim Kulturbetrieb Schwankhalle, aktiv in vielen Produktionen, Theater, Hörfunk und auch für das Projekt Freiräumen war sie jahrelang zuständig. In Zusammenarbeit mit der Bremer Zwischen-Zeit-Zentrale werden hier jungen Existenzgründern aus der Kulturszene freistehende Räume zur Realisierung ihrer Ideen vermittelt. Sich mit Räumen auseinandersetzen, nach ihrer Qualität zu suchen, dann das richtige Konzept dazu wachsen lassen, aus dieser Findigkeit hat sich auch das Radieschen entwickelt. Das ehemalige Blumengeschäft am Friedhof Buntentor hatte lange Zeit leer gestanden, Eva-Maria Oelker erkannte den Charme der Räumlichkeiten und verfolgte jetzt also ihre eigene Idee des Erinnerungscafés. Tatsächlich kann die 34-Jährige nach acht Monaten Hege und Pflege genug ernten, um zu sagen: „Es läuft“.
Es ist die Mischung aus Gastronomie und Kulturbetrieb, die ideale Kombination für die Kulturmanagerin und Gastronomin aus Leidenschaft. „Essen und Theater bieten beide eine Plattform für Gespräche“. Im Radieschen werden kulturelle Anlässe geschaffen, hier finden sich Menschen zum Feiern zusammen, treffen sich aber auch im Alltag. Kuchenrezepte werden weitergereicht, Bücher vorgelesen, gemeinsam Filme angesehen, Sammeltassen und die Erinnerungen der betagten Besitzerinnen finden im Café eine neue Heimat, es gibt Angebote für gemeinsames Häkeln oder Spielen am Nachmittag. Neben diesen sympathischen und originellen Ansätzen für ein anderes Miteinander in der Nachbarschaft, das über den reinen Konsum im Café hinausgeht, sind es die Themen der Nachhaltigkeit, über die im Radieschen erfahren, gelesen und gesprochen werden. Für Kaffee und Kuchen werden konsequent nur fair produzierte und Bio-Zutaten verwendet, dazu gibt es Bio-Limo oder -Milch, das gibt viel Gesprächsstoff unter den Gästen oder mit der Wirtin: Vergleichsweise hohe Preise auf der Karte, knappes Kuchenangebot am Sonntagabend, damit nichts weggeworfen werden muss oder die neuesten Bücher im kleinen Regal, die über Guerilla Gardening oder vegetarische Trends informieren.
Nachhaltigkeit? Ja, bitte mit TransFair-Produkten und zwei freien Tagen
Auch privat hält Eva-Maria Oelker viel von Nachhaltigkeit, nimmt sich „zwei wirklich freie Tage pro Woche“, an denen sie keinen Finger rührt und, wenn überhaupt, über das nächste Projekt nachdenkt. „Projekte sind endlich, man schließt sie auf, dann wieder zu“. Für die Zeit nach dem Radieschen kann sie sich ein Künstlerhotel vorstellen, das sie mit behinderten Menschen betreibt. Doch jetzt soll sich erst das Radieschen in der Bremer Neustadt fest verwurzeln, als Begegnungsstätte. Die nächsten Veranstaltungen sind geplant: An Ostern werden Eier gesucht, eine Ausstellung mit Hasen aus der Edition ihrer künstlerisch tätigen Schwester wird es geben und es bleibt die wöchentliche Häkelrunde mittwochs (ab 15 Uhr, bei der auch gestrickt werden darf) und das Spielangebot donnerstags (ab 15 Uhr). Mit Eva Radieschen.
Radieschen Kaffee Erinnerungen Buntentorsteinweg Öffnungszeiten: mittwochs bis sonntags von 12 bis 19 Uhr
Mehr Infos zu aktuellen Veranstaltungen hier.
Pingback: slowFood: Heute schon Marmelade getauscht? | dieglucke