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Beethoven im Comic: Ta ta ta taaaaaa …

… mit ähnlich dramatischem Kawumms wie die ersten Takte von Beethovens 9. Sinfonie schlägt die Graphic Novel über dessen Leben von Peer Meter (63) und dem Zeichner Rem Broo ein. Fast hört der Leser den letzte Atemzug des Klassikgenies noch: Beethoven liegt im Sarg, die Lippen für immer versiegelt – doch die der Nachwelt sind entfesselt. Alle meinen, ihn gekannt zu haben: Ein raubeiniger, romantischer, rastloser, rätselhafter und ruheloser Quergeist sei er gewesen. Wie er wirklich war, werden wir nicht sagen können. Aber das diesjährige Beethoven-Jahr bietet bis Dezember 2020 Gelegenheit, sich auf die Spuren des Musikmeisters zu begeben, der vor 250 Jahren geboren wurde.

Peer Meter schuf ein packendes Szenario, dem der Zeichner Rem Broo Farbe verlieh. Im Interview verrät der Bremer Schriftsteller und Szenarist, der für Serienkiller-Comics bekannt ist, weshalb er Beethoven zum Schweigen verdonnerte.

Herr Meter, sieben Jahre beschäftigten Sie sich intensiv mit Ludwig van Beethoven. Ist er Ihnen ans Herz gewachsen oder eher nicht?

Peer Meter: Seine geniale Musik nimmt mich schon seit meiner Jugend so stark ein, dass ich sie kaum noch aus meinem Kopf bekomme. Sie ist für mich einfach einmalig. Es wäre eine großartige Sache gewesen, ihn gekannt zu haben. Aber wahrscheinlich wäre ich auch enttäuscht gewesen, weil das Menschliche ihn womöglich entzaubert hätte.

Beethoven ist zu Beginn des Comics bereits verstorben und kann gar nicht mehr zu Wort kommen. Wieso lassen Sie andere über ihn sprechen?

Ja, das ist der Witz an der Sache. Ich habe die Anekdoten aufgenommen und in diesen stellt sich jeder selbst in den Vordergrund. Mir war es wichtig, dass die Leserschaft Beethoven über das Umfeld kennenlernt. Es gibt wenig Aufzeichnungen von ihm selbst und die Nachwelt stützt sich auf die Aussagen anderer. Es wäre für mich also der falsche Ansatz gewesen, ihn selbst zu Wort kommen zu lassen. Wir werden nie erfahren, wie er wirklich war. Und auch ob diese Anekdoten alle stimmen, bleibt die große Frage: Es wird beispielsweise über seinen Geburtsort gestritten – war es Bonn oder das niederländische Zutphen?

Welche Anekdote hat Sie besonders gefesselt?

Die Geschichte darüber, wer ihn nach der Uraufführung seiner 9. Sinfonie zum Publikum gedreht hat, damit er die frenetisch applaudierende Menge sehen kann. Er komponierte das Werk bereits taub und hat es selbst nie hören können. Als ich vom Sender ARTE für ein Projekt zu Beethoven angefragt wurde, hatte ich zunächst kein großes Interesse, als ich aber dennoch recherchierte und auf diese Geschichte stieß, war die Sache besiegelt.

Frenetischer Applaus nach der Premiere der 9. Sinfonie. Beethoven musste zum Publikum gedreht werden, um die Begeisterung der Menschen zu sehen - gehört hat er die Sinfonie nie, denn er war bereits taub, als er sie komponierte.
Frenetischer Applaus nach der Premiere der 9. Sinfonie. Beethoven musste zum Publikum gedreht werden, um die Begeisterung der Menschen zu sehen – gehört hat er die Sinfonie nie, denn er war bereits taub, als er die 9. Sinfonie komponierte. Bild: Rem Broo

Beethoven bietet einen Kontrast zu Ihrer Serienkiller-Trilogie über Gesche Gottfried („Gift“), Fritz Haarmann („Haarmann“) und Karl Denke („Vasmers Bruder“). Zufall oder Absicht?

Die Serienmörder und ihre grauenvollen Taten haben mich eigentlich nie interessiert, sondern immer die Rolle der Gesellschaft, die oft lange tatenlos wegschaute und geschehen ließ. Die Taten hätten viel früher aufgedeckt und aufgeklärt werden können. Im tiefsten Grunde meines Herzens bin ich Komödiant. Bei unserer „Beethoven“-Graphic Novel kann ich das gut zeigen. Es macht Spaß, die Leute zum Lachen zu bringen.

"Beethoven" ist Peer Meters erste farbige Graphic Novel - und die erste, in der er die Leserschaft bewusst zum Lachen bringen möchte. Bild: Rem Broo
„Beethoven“ ist Peer Meters erste farbige Graphic Novel – und die erste, in der er die Leserschaft bewusst zum Lachen bringen möchte. Bild: Rem Broo

Als Szenarist haben Sie Geschichte und Bilder im Kopf. Der Zeichner Rem Broo machte daraus den Comic. Wie kann man sich den Arbeitsprozess vorstellen?

Als Szenarist habe ich das Szenario im Kopf, man kann sich das wie ein Szenendrehbuch vorstellen. Wobei ich sagen muss, dass ein Comic-Szenario erheblich schwerer zu schreiben ist als ein Filmdrehbuch. Ein Comic-Szenario ist meines Erachtens die schwierigste Form des dramatischen Ausdrucks.

Warum?

Man muss mit wenig Worten die Sache auf den Punkt bringen und kann sich zum Beispiel nicht über Dialoge ausleben. Nichts ist im Comic tödlicher, als ein Dialog über mehrere Seiten, der die Geschichte erklärt. Die Geschichte will durch Bilder erzählt werden. Im Film kann man innerhalb von zehn Sekunden über einen Dialog viel erzählen, das funktioniert im Comic nicht. Als Autor muss ich dem Zeichner immer Bilder anbieten, weil die im Vordergrund stehen. Aus meinem Szenario und meinen Ideen erarbeitet der Zeichner dann ein Storyboard.

Sie sind selbst ein Comic-Fan der ersten Stunde. Wie schauen Sie auf die derzeitige Situation der deutschen Comic-Szene?

Früher wurden Comics von Jungs gelesen. Nun wird das Genre aber weiblicher, was gut ist. Derzeit verkaufen sich Feministinnen-Comics sehr gut und es gibt eine wachsende Zahl an Leserinnen. Das habe ich schon gemerkt, als „Gift“ rauskam. Die japanischen Mangas, die um die Jahrtausendwende auch in Europa populär wurden, brachten diese neue weibliche Klientel hervor. In der Pubertät greifen die Mädchen zu den Manga-Liebesgeschichten und später dann zur Graphic Novel, die literarischen Anspruch verspricht und ihn auch erfüllt.

Die Leserschaft wird weiblicher. Bekommt der Comic Ihrer Meinung nach auch mehr Akzeptanz?

Als ich jung war, galt der Comic als Schmutz und Schund. Die Älteren kannten und verstanden das Genre nicht. Mittlerweile greifen auch viele Senioren zur Graphic Novel, weil sie als Kind Comics kennengelernt und verstanden haben. Man muss damit aufgewachsen sein, um es akzeptieren zu können. Ich selbst hatte bereits 1965 als Achtjähriger meine ersten Comics. Seitdem bin ich quasi von jenem Virus befallen.

Liegt derzeit ein deutscher Comic auf Ihrem Nachttisch?

Gerade habe ich kaum Zeit zum Lesen, weil ich an einem Roman arbeite und an einem Filmdrehbuch. Auf der Leipziger Buchmesse werde ich mich eindecken – wahrscheinlich mit vielen internationalen Produktionen. So viele deutsche Comics erscheinen pro Jahr leider nicht, aber ich freue mich darüber, dass sich die Szene seit Jahren sehr positiv entwickelt.

Worum wird es in Ihrem Roman gehen?

Ich arbeite an einer Roman-Trilogie, die unter anderem auch im Bremer Ostertor angesiedelt ist. Der erste Band ist fertig. Er spielt vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche der Jahre 1968 bis 1972. Im Fokus steht ein Junge zwischen seinem zwölften und sechzehnten Lebensjahr. Was zunächst in kindlich Naivität beginnt, findet sich in den Abgründen der auf einen ersten Höhepunkt zusteuernden Drogenwelle der frühen siebziger Jahre wieder. Der Roman ist durchaus auch autobiografisch geprägt. Einige meiner Freunde sind damals an Heroin gestorben.

Gibt es auch neue Ideen für Comics?

Ja, es sind einige Szenarios fertig. Eines ist ein Berlin-Comic zur Zeit des Mauerbaus, in dem eine Ost-West-Teenager-Liebe im Mittelpunkt steht. Das wird vermutlich wieder Rem Broo zeichnen. Aber zeitlich ist noch nicht abzusehen, wann es fertig sein wird – Comics brauchen ihre Zeit.

Wie lange hat es im Fall von Beethoven gedauert?

Das Szenario schrieb ich 2013 in einer ersten Fassung innerhalb von sechs Wochen und 2020 kommen wir nun auf den Markt. Vier Jahre hat Rem Broo an den Zeichnungen gearbeitet – keine ungewöhnlich lange Phase für einen Zeichner. Ein Comic ist schneller geschrieben als gezeichnet.

Die lange Planung hat sich gelohnt – im Beethoven-Jahr landen Sie eine Punktlandung.

Ja, das war so geplant. Wir wollen natürlich den Hype mitnehmen. Schließlich bringen wir etwas völlig Neues auf den Markt, was es so vorher noch nicht gab.

Wo und wann wird man Sie mit Ihrem „Beethoven“ in Bremen treffen?

Wir werden unseren „Beethoven“ voraussichtlich erst im September in Bremen vorstellen. Im Rahmen einer Graphic-Novel-Ausstellung. Genaueres gebe ich auf meiner Homepage bekannt.

Weitere Infos: www.peermeter.de

Peer Meter
Bremer Schriftsteller und Szenarist Peer Meter. Bild: Siegfried Scholz

Die Graphic Novel „Beethoven“ ist im Carlsen-Verlag erschienen und ab 12. März 2020 im Buchhandel oder in Comic-Fachgeschäften erhältlich.

Interview: Annica Müllenberg