Bremen ist, was die Förderung von Baugruppen angeht, erst am Anfang. Die Anzahl der realisierten Projekte ist überschaubar, in denen mehrere Familien/Wohnparteien unterschiedlicher Zusammensetzung gemeinsam ihr Bauprojekt planen und realisieren. Da gibt es das MOSAIK in Huckelriede, die Bunte Berse in Gröpelingen oder die Villa P in Walle – was an Unwägbarkeiten und Langwierigkeit im Planungsprozess sowie an der Problematik von Gruppenbildungsprozessen liegen mag. Mit ihrem Buch Gemeinsam Bauen. Baugruppen, Baugemeinschaften. Wege und Erfahrungen umreißen drei AutorInnen May, Ullrich und Steiger die verschiedenen Phasen einer Baugruppe von der Findung geeigneter Interessierter über die Erstellung eines inhaltlichen Konzeptes über die eigentliche Bauphase und die schlussendliche und nicht zuletzt auch herausfordernde Phase, die des Wohnens selbst.
„Wer ein hohes Haus bauen will, muss lange am Fundament verweilen“ (Konfuzius).
In diesem Jahr werden in Bremen an zwei Standorten Grundstücke für Baugemeinschaften ausgeschrieben. Ein Grundstück im umstrittenen Baugebiet Gartenstadt Werdersee (zwischen Habenhausen und Huckelriede) und zwei bis drei Grundstücke im Baugebiet Ellener Hof in Osterholz. In der Innenstadt ist das große Gebiet um das neue Krankenhaus im Fokus. Dort sollen 20 Prozent der über 1000 Wohneinheiten für Baugemeinschaften und Baugruppen vorgesehen werden. Zuständig ist hier die Grundstücksentwicklung Klinikum Bremen-Mitte GmbH & Co. KG. Eine allzu starke Nachfrage gibt es allerdings derzeit nicht. Die kommunale Stadtentwicklungspolitik beginnt aber, von Stadt zu Stadt verschieden stark, Baugemeinschaften und Baugruppen zusehends als Instrumente einer anderen Baupolitik zu fördern.
Kompakte Infos für Baugruppen und Baugemeinschaften
Implizit gehen sie dabei von einem Neubau aus, vieles dürfte aber auf einen Umbau/Umwidmung oder eine Sanierung übertragbar sein, einiges über das sie schreiben, sich dort sogar verschärft zeigen. Der grundsätzliche Ansatz ist kein explizit gesellschaftskritischer oder auch nur spät-alternativer: Hier wird pikanterweise davon ausgegangen, dass der Wunsch nach gemeinsamem Wohnen heute aus der Mitte der Gesellschaft komme und oftmals angesichts explodierender Immobilienpreise der einzige Weg sei, heute überhaupt noch in Eigentum (!) wohnen zu können. Empfehlungen zum echten, entprivatisierten Gemeinschaftseigentum oder zum Mietshäusersyndikat finden sich hier also nicht.
Stattdessen sehr viele Informationen aus der Praxis über z.B. Gruppenprozesse und Entscheidungsfindung oder erhellende Reflektionen über die verschiedenen Funktionen, die Rollen und Perspektiven der Beteiligten an einem Bau (Nutzer_innengemeinschaft, Architekt_in, Projektsteuerung, Bauleitung, HandwerkerInnen, etc.). Schließlich bauen die Mitglieder einer Baugruppe meist nur einmal im Leben und dies unter erheblichem finanziellem Druck, ein Bauleiter oder eine Architektin dagegen öfter. Rechtliche Aspekte werden referiert und darauf hingewiesen, dass dafür, wie für etliches andere auch, externe Expertise unabdingbar ist. Nicht zuletzt wird vor Fallen gewarnt, etwa z.B. bei der Frage von Lärm im Haus, bei der Zeitplanung oder beim Umgang mit festgestellten Mängeln. Immer wieder wird für Toleranz, Pragmatismus und Kommunikationsfähigkeit geworben. Ohne diese und andere Eigenschaften sei so ein in der Regel mehrjähriges Projekt nicht zu stemmen.
Interviews und Beispiele für gemeinschaftliches Wohnen
Die vielen zwischen die Kapitel gestreuten Interviews geben konkrete und persönliche Beispiele und (damit) einen guten Einblick in die Situation – und die LeserIn kann so von bereits gemachten Erfahrungen profitieren. Das Buch ist trotz seiner stellenweisen Sprunghaftigkeit sehr hilfreich und unbedingt zu empfehlen. Denn „wer ein hohes Haus bauen will, muss lange am Fundament verweilen“ (Konfuzius).
May/ S. Ullrich/ K. Steiger: Gemeinsam Bauen. Baugruppen, Baugemeinschaften. Wege und Erfahrungen; VDE Verlag, Berlin 2017, 122 Seiten, 24,80 EUR
Text: Bernd Hüttner
[Hinweis] In CONTRASTE der Monatszeitung für Selbstorganisation, ist in der Februarausgabe ein Artikel zur Situation rund um die Stadtteilgenossenschaft Hulsberg erschienen (Volltext). Diese will auf dem im Artikel erwähnte Krankenhausgelände das dort bereits existierende neunstöckige Bettenhaus umnutzen und anschließend gemeinschaftlich bewohnen und solidarisch nutzen.