Das Hamburger Ehepaar Dorothea und Emil Maetzel-Johannsen gehört zur zweiten Generation des Expressionismus. Das ist die Generation, die erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges den Hauptteil ihres Tuns realisierte. Das Kunsthaus in Stade zeigt nun über 150 Gemälde, graphische Werke, Fotografien und einige Skulpturen aus dem mehrere Jahrzehnte umfassenden künstlerischen Schaffen dieses bemerkenswerten Paares.
Dorothea Johannsen (1886-1930) heiratet Emil Maetzel (1877-1955) im Jahre 1910. Beide sind keine ausgebildeten KünstlerInnen. Emil ist Architekt und seit 1907 bei der Stadt Hamburg verbeamtet; sie hat zwar eine Zeichenschule besucht, ist aber künstlerisch ebenso Autodidakt_in wie ihr späterer Mann. Von 1911 bis 1917 bekommen die beiden vier Kinder. ±
Autodidakten zwischen Bürgertum und Bohéme
Institutionell prägend sind für die beiden die wichtigen Jahre der 1919 gegründeten Hamburger Sezession, an der sie sehr aktiv beteiligt sind. Dorothea malt in dieser Zeit vor allem Akte und Motive vertrauter Paare (Mann-Frau, Mutter-Kind) und wendet sich ab 1921 vom expressionistischen Gestus ab, während er ihn noch etwas beibehält. Beide gestalten aber auch Stadtansichten, Landschaften und Stillleben und erweisen sich als überaus begabte ZeichnerInnen. Auf vielen Motiven ist die auch bei den KünstlerInnen der ersten Generation sichtbare Bezugnahme zu außereuropäischer Kunst bemerkbar.
Zwei der wenigen allgemein zugänglichen Fotos des Künstlerpaares Maetzel & Maetzel. (li: von Dorothea Maetzel-Johannsen, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16482197; re: Dorothea Maetzel-Johannsen – Emil Maetzel mit Pelzmütze, um 1914 © Sammlung Tobeler, Foto: Michael Hensel)
Der Großteil der gezeigten Werke sind Radierungen und Holzschnitte, also in Schwarz-Weiß gehalten, insofern macht das ausdrucksstarke Motiv, mit dem die Ausstellung beworben wird (Dorothea Maetzel-Johannsen, Überredung, 1919) einen leicht falschen Eindruck. Offen bleibt nach dem Besuch dieser lohnenswerten Ausstellung, wie die beiden ihre ganze Kunst und auch die dokumentierte Beteiligung an den Künstlerfesten 1919 bis 1923 in Hamburg trotz großer Familie realisieren konnten. Die Rezension in der TAZ wirft diese Frage auch auf, lässt sie aber unbeantwortet. Seine vergleichsweise sehr etablierte berufliche Stellung war sicher eine Hilfe, aber vermutlich vor allem ein Brotberuf – und Ausdruck des Changierens zwischen Bürgertum und Bohème. 1933, drei Jahre nach dem frühen Tod von Dorothea, wird er von den Nationalsozialisten aus dem Staatsdient entlassen.
Maetzel & Maetzel im Kunsthaus Stade
Noch bis 5. Juni. Kunsthaus Stade, Wasser West 7, 21682 Stade. Geöffnet Di, Do, Fr 10-17 Uhr, Mi 10-19 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr. Eintritt 8 EUR.
Im Emslandmuseum Schloss Clemenswerth (D-49751 Sögel) ist bis 18. Juni noch eine Ausstellung über Emil Maetzel zu sehen (mehr Information). Das Kunsthaus in Stade bietet ein umfangreiches Begleitprogramm an, auch mit Führungen an vielen Sonntagen (ab 15 Uhr).
[Katalog] Sebastian Möllers und Luisa Pauline Fink (Hrsg.): Ein Künstlerpaar der Moderne. Emil Maetzel und Dorothea Maetzel-Johannsen; Imhof Verlag 2017, 160 Seiten, 144 Farb- und 24 S/W-Abbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-7319-0497-7, 34,90 EUR
[Literaturtipp zur „zweiten Generation“] Stephanie Barron (Hrsg.): Expressionismus. Die zweite Generation 1915-1925, Prestel Verlag, München 1989
Text: Bernd Hüttner
Fotos: Courtesy Kunsthaus Stade, Wikipedia Commons