Er ist der Reporter unter den deutschen Comiczeichnern: Reinhard Kleist wandert die Spuren seiner Helden ab und dokumentiert sie mit sachlich-schwungvollen Federstrichen. In der Stadtbibliothek stellt er am 31. Oktober seine Graphic Novel über die somalische Läuferin Samia Yusuf Omar vor.
Die Melancholie, die einigen Werken des Comiczeichners Reinhard Kleist nachklingt, hängt wohl damit zusammen, dass viele seiner Helden schon verstorben sind und ein Leben mit Schattenseiten führten. Elvis gehört zu den Porträtierten, Johnny Cash und der jüdische Boxer Hertzko Haft. Ihnen allen setzt Kleist gezeichnete Denkmäler und wirft Licht in dunkle, unbekannte Ecken ihrer Biografien. Sein jüngstes Werk widmet sich einem tragischen und aktuellem Thema. Der „Traum von Olympia“ bebildert die Lebensgeschichte der somalischen Läuferin Samia Yusuf Omar, die während ihrer Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrank.
Graphic Novel – gezeichnete Geschichte eines Traums
Samia trat voller Stolz 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking für ihr Land an den Start – und lief als Letzte ins Ziel. Für Kleist ist sie dennoch eine große Heldin: „Jemand, der seinen Traum verfolgt und so viel Hoffnung hineinsteckt, mit dem identifiziert man sich um so mehr. Sie wollte nach London, um dort an den Olympischen Spielen teilzunehmen und hatte dieses Ziel im Kopf. Auf ihrer fast einjährigen Odyssee ist sie jedoch ertrunken.“
Kleist zeichnet mit schwarzer Tinte das zerstörte Stadion der somalischen Hauptstadt Mogadischu, wo Samia heimlich unter schwierigsten Bedingungen trainierte. Das arme Land wird von Islamisten terrorisiert, die Sport für Frauen verbieten. Laufen bedeutet Lebenselixier und Lebensgefahr zugleich, wird sie erwischt, drohen harte Strafen. Für ihren Traum, an den Olympischen Spielen in London teilzunehmen, nimmt sie die Umstände jedoch in Kauf – bis es nicht mehr geht. Sie beschließt, das Land zu verlassen, für ihren Traum, der zum Albtraum wird. Düster-schöne Zeichnungen und eine tragische Story.
Reinhard Kleist liest am Montag, 31. Oktober, ab 14 Uhr in der Zentralbibliothek, Am Wall 201, Wall-Saal, aus seiner Graphic Novel. Die Lesung findet im Rahmen der „globale – Festival für grenzüberschreitende Literatur“ statt. Der Eintritt ist frei.
Text: Annica Müllenberg