Es gibt ein neues Bremer Frauenlexikon. Edith Laudowicz, Vorsitzende des Bremer Frauenmuseums und Mit-Herausgeberin stellt in ihrem Gastbeitrag einige der Frauen vor und macht neugierig auf mehr Frauengeschichte(n).
48 Autorinnen und Autoren haben Beiträge über Frauen- und Frauenorte in Bremen und Bremerhaven verfasst. Mehr als 300 Frauen werden in kürzeren und längeren Porträts vorgestellt, außerdem zahlreiche Orte, an den Frauen gelebt oder gearbeitet haben sowie einige Vereine und Frauenorganisationen. Es war uns wichtig, ein breites Spektrum von Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten und verschiedenen sozialen Schichten in ihrem historischen Kontext darzustellen. Dies sind nicht nur bekannte Frauen wie Auguste Kirchhoff, Ottilie Hoffmann und Annemarie Mevissen, sondern auch bislang weitgehend unbekannte bzw. unbeachtete Frauen oder auch vergessene Frauen.
Vergessene Bremerinnen sichtbar machen
Da ist die erst vor wenigen Jahre verstorbene Physiotherapeutin Dorit von Aufschnaiter (1938-2013), die die Früherkennung und -Behandlung von Babys und Kleinkindern mit Bewegungsstörungen und Missbildungen als ihre wichtigste Aufgabe ansah oder auch die Hochschulprofessorin und Juristin Edda Weßlau(1956 – 2014) , die sich schon früh gegen die Verabreichung von Brechmitteln bei der Polizei engagierte. Wer hat je gehört von der damals berühmten Bremer Opernängerin Eleonore Grabau (1805–1852 ), die als Lehrerin am ersten Leipziger Gewandhaus arbeitete. Oder auch Leni Schmidt (1906-1985), die 1928 auf der 200-m-Strecke einen neuen deutschen Rekord aufstellte – bei den Olympischen Spielen in Amsterdam, bei der erstmals auch Frauen-Wettbewerbe in Leichtathletik stattfanden.
Wer kennt schon Käthe Matschuck aus Bremerhaven, die jahrelang mit ihrem Wägelchen vom Stadtteil Lehe an die Geeste zog, und dort frischen Granat direkt vom Kutter holte, um ihn dann in der Innenstadt zu verkaufen? Wer weiß, dass Meta Rödiger (1892 -1978), Erbin des Lür Kropp Hofes in Oberneuland, auf dem es heute ein nach ihr benanntes „Hochtiedshuus“ gibt, der Stadt Bremen die größte Erbschaft vermachte, die diese je erhalten hat? Nur wenige wissen, dass Henriette Schweers den Großteil ihres Vermögens für die Einrichtung eines Heimes für geistig Behinderte stiftete, das von 1905 bis zum 2. Weltkrieg auf dem Gelände des heutigen Parks Wolfskuhle existierte. Vorgestellt werden auch Stifterinnen wie Beta Isenberg, die sich im “Verein für eine Zufluchtsstätte für Frauen und Mädchen“ engagierte“, dessen Vorsitzende sie 1908 wurde. Sie ermöglichte 1914 den Bau und die Einrichtung eines Heimes für Mädchen an der Kornstraße 209-211 und finanzierte den Bau der Zionskirche in der Kornstraße.
Politikerin und Kämpferinnen für die Bildung von Mädchen
In den „Frauengeschichte(n)“ geht es natürlich auch um die Frauen, die 1919 in die Nationalversammlung gewählt wurden sowie solche, die wie Adèle Schmitz zu Beginn des 20. Jhdt. lange für das Stimmrecht kämpften als engagierte Mitstreiterin in der Ortsgruppe des Deutschen Frauenstimmrechts-Verbandes. Auch Politikerinnen aus Parteien und Verbänden aus jüngster Zeit wie Delphine Brox-Brochot, Hede Lütjen, Berta Seebeck u.a. Mit mehreren Porträts werden engagierte Lehrerinnen wie Anna Schomburg, Magdalene Thimme und Auguste Lammers u.a. gewürdigt, die für eine bessere Mädchenbildung kämpften. Ein Beitrag stellt die Entstehung und Entwicklung der Mädchenschulen dar.
Aufgenommen wurden aber auch Frauen die „nur Gattinen“ waren. Ihre Männer spielten in der Bremer und Bremerhavener Wirtschaft und Politik eine bedeutende Rolle, für die es selbstverständlich war, dass ihre Frauen den umfangreichen Haushalt managten – häufig mit mehr als 10 Kindern und Bediensteten – sowie großen gesellschaftlichen Verpflichtungen. In einem längeren Aufsatz wird das Leben von Frauen beschrieben, die mit ihren Kapitäns-Ehemännern von Bremerhaven aus für lange Zeit auf große Fahrt gingen.
Bekannte Künstlerinnen und Autorinnen
Auch den malenden, schreibenden und töpfernden Frauen sind zahlreiche Porträts gewidmet, darunter die Töpferin Dorothee Colberg-Tjadens, die Malerin Elisabeth Hausman und Elisabeth Steinecke, Autorinnen wie Ada Halenza, die in jüngster Zeit immer noch ein großes Publikum eroberte oder Anna Steen, die trotz zahlreicher Bücher (die noch heute hohe Preise erzielen) in Vergessenheit geraten ist. Weitgehend unbekannt war bislang auch, dass Marie Fitger, Schwester des Malers Arthur Fitger, Autorin war und Journalistin. Lilo Weinsheimer und Irmgard Enderle waren bekannte Journalistinnen, die erstgenannte kommentierte mit spitzer Feder die politischen Ereignisse in Bremen und auf Bundesebene, Irmgard Enderle widmete sich als Redakteurin des Weser-Kuriers vor allem Frauenthemen.
Das Buch ist ein wahrer Fundus für Geschichtsinteressierte und soll auch dazu motivieren, weiter zu forschen, denn es gibt noch viele Lücken. Es ist Begleitkatalog zur Ausstellung Bremer Frauen Geschichte im Focke Museum, die vom 1. Mai bis 21. August 2016 gezeigt wird.
Text: Edith Laudowicz, Vorsitzende Bremer Frauenmuseum e.V.
Wir haben auch schon über die Ausstellung Bremer Frauen Geschichte im Focke Museum berichtet: #outstanding: Frauengeschichten aus Bremen und BHV.