Wir kennen ihn alle, ich sehe ihn jedes Mal beim Vorbeifahren mit Bus und Straßenbahn, aber beachte ihn kaum, den „Bremer Verkehrsturm“ auf der Domsheide hier in Bremen. Das soll sich ändern, denn dieser Turm ist ein Kunstwerk im öffentlichen Raum des vielseitigen dänischen Künstlers Per Kirkeby (geb. 1938). Und weil dieser Turm viel zu wenig beachtet wird und von nur wenigen Menschen überhaupt als Kunstwerk wahrgenommen wird, gibt es eine umfassende Werkschau dieses Künstlers im Paula Modersohn-Becker Museum in der Böttcherstraße.
Verkehrsturm mit Lichtinstallation von Urban Screen
Per Kirkeby gilt als einflussreichster Künstler der Modernen Kunst in Skandinavien.
In der Ausstellung kann man den Verkehrsturm von der Ideenskizze bis zum fertigen Bauwerk anschauen. Auch die Briefe zwischen Per Kirkeby und dem ehemaligen Senatsdirektor Eberhard Kuhlenkampf sind ausgestellt. Zusätzlich zur Ausstellung kann man täglich ab Sonnenuntergang bis zum Morgen eine Lichtinstallation im Turm sehen, die von den Lichtkünstlern von URBANSCREEN entwickelt wurde.
Am Anfang der Ausstellung sind die Spätwerke zu sehen, die großformatig die Wände füllen.
Als promovierter Geologe hat Kirkeby seinen wissenschaftlichen Blick in seiner Kunst nie verloren. Es gibt verschiedene Elemente und Stile, die seine sämtlichen Werke durchziehen, wie z.B. Kreise, Bäume, Hütten, Steine, Baumstämme und andere Strukturen. Besonders in den ersten beiden Räumen hat mich das sehr beeindruckt. Auch menschliche Silhouetten sind zu erkennen. Ich fand es sehr spannend, die Zusammenhänge zu den Malereien von Paula Modersohn- Becker zu sehen. Beide Künstler waren auf der Suche nach dem Ursprünglichen der Natur, doch auf die jeweils eigene Art und Weise. Während die Worpsweder Künstler noch direkt draußen in der Natur gemalt haben, entwickelten Per Kirkeby und Paula Modersohn-Becker ihre Ideen zuerst und malten dann.
Bühnenkunst auf Leinwand
Die Bilder Per Kirkebys sind nicht naturgetreu abgebildet und fast völlig ungegenständlich, aber doch lassen sie die Natur und Landschaft erahnen. Mal durch einen Horizont im Bild, mal durch Farben und Strukturen. Hier gefiel mir persönlich das Bild „Frühling“, auf dem Strukturen und helle Farben zu erkennen sind, aber nicht wirklich realistisch aussehen. Es geht im Bild nicht um die klare Aussage und das Gefühl: „Schaut her, so sieht der Frühling aus!“, sondern um eine Szene, die er beschreibt. Er selbst nennt seine Bilder „Bühnenkunst“.
In seinen frühen Bildern dagegen, ab etwa 1960, erkennt man plakative Pop-Art Formen wie Autos, Muster, Kreise und Menschen, sowie Zitate aus Mode und Film. Hier malte er noch bis ca.1970 auf quadratischen Masonitplatten. Danach entstanden dann die großformatigen Gemälde.
Alte Meister nachempfunden
Anfang der 80er Jahre beginnt Per Kirkeby einer anderen Kunstform mehr Raum zu geben, der Skulptur. Diese entwirft er als Skizze, um sie dann in Ton zu arbeiten. Aus diesem Entwurf aus Ton wird dann die große Skulptur im öffentlichen Raum aus roten Backsteinziegeln. Auch hier sind in der Ausstellung mehrere Entwürfe und Skizzen zu sehen. Es soll so beiläufig aussehen und nicht auffallen, wie der Verkehrsturm auf der Domsheide.
Der letzte Bruch im Werk Kirkebys findet um die Jahrtausendwende statt. Jetzt bezieht er sich in seinen Bildern auf historische Ereignisse oder zitiert „Alte Meister“ in seinen Bildern. Aber immer nicht nachgemalt, sondern komponiert und ansatzweise dargestellt. Er ändert die Ausrichtung seiner Bilder von oben nach unten, statt von rechts nach links. In seinen Bildern tauchen horizontale Balken wie Schranken auf. Ob das wohl ein Hinweis auf seine Krankheit ist? Man könnte es fast meinen. Auf jeden Fall eine sehr lohnenswerte Ausstellung, die man nicht verpassen sollte.
Und hier schon ein paar High-Lights der Werkschau:
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Die Ausstellung ist eine institutionelle Kooperation mit dem Louisiana Museum of Modern Art in Humblebæk, Dänemark. Zur Ausstellung finden viele interessante Informationsveranstaltungen statt, die unter: www.museen.boettcherstrasse.de aufgelistet werden.
Die Ausstellung kann man täglich, außer montags, bis zum 5. Juni 2016 im Paula Becker-Modersohn Museum ansehen.
Text: Conny Wischhusen