Eigentlich hat mich mein diesjähriger Sommer-Roman eher zufällig im Koffer in die bunten Metropolen Nordportugals begleitet. Die Geschichte „Am Hang“ von Markus Werner fand ich in einer „Zu verschenken-Bücherkiste“ in der Nachbarschaft. Weshalb das Buch zu verschenken war, ist nicht überliefert, aber es zu lesen, lohnt sich!
Ein eiskaltes Verwirrspiel
Der Roman entführt Daheimgebliebene und Urlauber wie mich aus der Sonne in das schweizerische Bergdorf „Montagnola“ am Luganer See. Dort erfahren wir aus Sicht eines jungen Mittdreißigers und Anwalts – eher nicht der sympathische Typ und vor allem kein Frauenfreund – von einer seltsamen Begegnung. Diese Begegnung am See spielt sich im Frühjahr ab und vor Ort herrscht Gewitterwetter. Der unsympathische Held in Werners Geschichte trifft auf einem älteren Herrn, dessen Bann er sich nicht entziehen kann. Wie sich nach und nach vor der wolkenverhangenen Bergkulisse am See herausstellt, verbindet die beiden Männer eine gemeinsame Bekanntschaft.
Zwei Männer, zwei Welten
Markus Werners Erzählung hat mich beim Lesen vor allem durch die sehr bildliche Sprache bestochen. Werner malt geradezu jeden Gesichtsausdruck der Männer und jede Lichtschattierung der Orte in der Geschichte mit seinen Worten auf die Seiten. Er lässt uns durch die Brille seines Protagonisten sehen, wie sich diese Begegnung abspielt. Dabei wechselt er häufig die Erzählperspektiven – und wir erfahren nicht die Beobachtungen des Anwalts sondern auch seine Gefühlswelt in immer wieder auftauchenden inneren Monologen. So zeichnet Werner ein sehr scharfes Bild aller Szenen. Der weitere besondere Reiz der Geschichte lag für mich aber darin, dass Markus Werner seine Figuren – den Schweizer Jung-Anwalt und seine Urlaubsbekanntschaft, einen mittelalten Mann – stellvertretend für verschiedene Einstellungen zu Beziehungen stehen lässt.
Der Wert der Liebe
Da sind der junge Frauenheld und der zufrieden verheiratete Mann und ihre Sicht auf die Liebe knallt aufeinander. Beide Sichtweisen spiegeln wieder, was sich heute an „Zustandsdiagnosen“ und „Psychotipps“ zum Thema Ehe und Beziehung(s-Scheue) finden lässt. Abgefasst in subjektiven Argumenten der zwei Männer, lädt der Roman auch zum Nachdenken über den eigenen Standpunkt und das eigene Verständnis von Liebe und Zweisamkeit ein.
Mein Fazit: Sollte der Bremer Sommer wirklich zurückkommen, verspricht dieses Verwirrspiel eine Abkühlung vor kühler Bergseekulisse. Sollte er nicht zurückkommen, empfehle ich als Regenflucht. Es hat Suchtfaktor und lässt sich deshalb leicht weg lesen.
Markus Werner: Am Hang. Erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag, im März 2013. Die Taschenbuch-Ausgabe kostet 7,95 Euro.
Text: Janina Weinhold