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#Ausflugstipp: Klassische Moderne in Hannover

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Ein Schwerpunkt Pablo Picasso. Hier mit Trois femmes, 1908, Öl auf Leinwand, Sprengel Museum Hannover, Schenkung Sammlung Sprengel (1969)

Das Sprengel-Museum in Hannover gilt als überregional bekanntes und wichtiges Museum zur Kunst der klassischen Moderne und zum Schaffen von Kurt Schwitters (1887-1948), der gemeinhin dem Dadaismus zugerechnet wird. Die BesucherIn findet im Untergeschoss, das die klassische Moderne in einer Dauerausstellung zeigt, viele Werke von Nolde und den MalerInnen aus dem Blauen Reiter, der Brücke und dem jeweiligen Umfeld. Ergänzt wird das Ganze durch Werke von Ferdinand Leger, Oskar Kokoschka und anderen. Ein Schwerpunkt ist Picasso, ein weiterer El Lissitzky, der einige Zeit in Hannover lebte und von dem sich unter anderem ein Nachbau seines „Kabinett der Abstrakten“ von 1928 findet. Zwei Räume beherbergen Werke von Niki de St. Phalle. Ein Raum im Erdgeschoss zeigt einige Arbeiten Hannoveraner Künstler der “Neuen Sachlichkeit“. Und zurzeit zeigt die Ausstellung „Auszeit“ wie das mit dem Loslassen geht (darüber berichtet auch die taz).

Avantgarde zu ihrer Zeit

Aus heutiger Sicht wirken all diese Werke relativ „normal“, ja man kann sich gar nicht  vorstellen, wie avantgardistisch sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung waren. Ihre ProduzentInnen gehörten damals lange nicht, wie heute und selbstverständlich in Abstufungen zum nationalen Kunstkanon – wie es heute der Fall ist. Da sich vor kurzem das Ende des Zweiten Weltkrieges jährte: Sehr viele der in Hannover gezeigten KünstlerInnen wollten oder mussten vor den Nazis fliehen und viele ihrer Werke wurden von den Nazis aus den Museen entfernt, beschlagnahmt und in der berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München gezeigt. Das Industriellen-Ehepaar Sprengel, das mit einer Schenkung seiner privaten Sammlung 1969 an die Stadt Hannover dieses Museum begründete, das dann freilich erst 1979 eröffnet wurde, verstärkte dagegen just 1937 seine drei Jahre zuvor begonnene Sammlungstätigkeit zur Kunst der klassischen Moderne.

Einordnende Information wären schön

Schwitters, der unter anderem das berühmte Gedicht „Anna Blume“ verfasste und den Berliner Dadaisten als zu brav galt, hat im Haus eine eigene, kleine Abteilung. Nach deren Besuch bleibt er einem als Mensch und Künstler trotzdem fremd, was auch an der Präsentation und (fehlenden) informierenden Rahmung liegt. Dies ist ein Problem des ganzen Museums.

Eine solch verwinkeltes und unübersichtliches Bauwerk mit dem morbiden Charme einer sozialdemokratischen Gesamtschule gemixt mit dem eines Atomschutzbunkers, braucht unabdingbar eine hochprofessionelle Beschilderung. Nur: Es gibt keine. Der an der Kasse ausgegebene Etagenplan (PDF) ist eher unbrauchbar. In den vielen, einzelnen, teilweise sehr kleinen Räumen gibt es wenig Informationen zu den einzelnen Stilen oder KünstlerInnen, nur einige Informationsblätter zum Mitnehmen. Großformatige Rollups oder Wandbeschriftungen zur Information der BesucherInnen sind heute in vielen Einrichtungen Standard (z.B. in der Kunsthalle Emden, im Kunsthaus in Stade oder im Bucerius Kunstforum in Hamburg).

Erst die Kunst, dann an den Maschsee

Sicher sind viele interessante Bilder zu sehen, etwa „Drei Akte im Wald“ von Otto Mueller, „Im Nachbarhaus“ von Klee und das atemberaubende „Der große Gärtner“ von Emil Nolde, aber die Präsentation und Gesamtanlage schmälert den Kunstgenuss doch erheblich. Permanent muss der Besucher schauen, hinter welchem Winkel es wo weitergeht, ob er alles gesehen, bzw. nichts übersehen hat. Ein kleines, einfaches, mit geringen finanziellen Mitteln zu erstellendes Leitsystem würde da Wunder wirken. Ein imposanter Erweiterungs-Neubau steht kurz vor der Vollendung. Es bleibt zu hoffen, dass dann der ganze Komplex nicht noch unübersichtlicher, sondern von Grund auf ansprechender gestaltet wird.

Wer das Museum besucht, muss tatsächlich gute Nerven mitbringen, denn der Genuss der Werke wird durch die absolut unübersichtliche Anlage des Gebäudes beeinträchtigt. Einen Ausgleich für den doch eher beschwerlichen Museumsbesuch bieten zwei Gegebenheiten: Die MERZ-Buchhandlung (incl. antiquarischer Abteilung) ist ein Traum: Die beste Museumsbuchhandlung, die ich je besucht habe. Zum zweiten ist direkt gegenüber dem Museum der Maschsee, der zum Spaziergang, zum Sitzen, zum Kaffee- oder Bionade-Trinken einlädt.

Sprengel-Museum, Kurt Schwitters-Platz 1, 30169 Hannover, Buslinie 200, bzw. 15 Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof. Öffnungszeiten: Montag geschlossen, Dienstag 10 – 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 – 18 Uhr. Eintritt 7 EUR, ermäßigt 4 EUR, Freitag freier Eintritt. Das Museum ist barrierefrei

Foto: Sprengel Museum Hannover / Fotograf: Herling / Gwose, Sprengel Museum Hannover © VG Bild-Kunst, Bonn