„Die Welle abwarten, abstützen und bäuchlings aufs Brett schwingen. Ok, go“, ruft der Surflehrer seinen Eleven zu, die sich nach einem Pfiff aus seiner Trillerpfeife mit viel Elan in die Brandung stürzen. Die Szenerie spielt sich vor einer ungewöhnlichen Kulisse ab: Surfers Paradise ist neben Miami eine der wenigen Städte, deren Hochhäuser nur zwanzig Meter vom weißen Pulversandstrand entfernt liegen. Je nachdem, wo ich sitze, rauscht links der Pazifik und rechts erhebt sich ein Zaun aus Stahl-, Glas- und Betonriesen in unterschiedlicher Höhe. Einen Moment lang versuche ich mir vorzustellen, ein Büro im 20. Stock eines solchen Hochhauses zu haben. Aus einer Glasfront könnte ich aufs Meer sehen, den ganzen Tag – und würde wahrscheinlich nie zum Arbeiten kommen. Viel zu faszinierend und meditativ wirkt das wilde Naturschauspiel des Wassers.
Stürmisches Vergnügen
Der Wind peitscht dem Pazifik kräftig ein, in schäumenden Rollen kräuseln sich die Wellen dem Strand entgegen. Wer nicht fest auf beiden Beinen steht, den spült die Unterströmung davon. Flaggen der Rettungsschwimmer weisen darauf hin, dass mit dem Meer nicht zu scherzen ist – genau diese Bedingungen lieben die coolen Jungs und die Schüler müssen lernen, sie zu lieben. Der Preis: geschlucktes Wasser, weiche Knie und Erschöpfung. Was einfach aussieht, kostet Ausdauer, doch wenn man erst einmal bäuchlings in Richtung Strand gleitet, hat einen die Begeisterung gepackt und man versteht, wieso die Wellen nicht hoch genug sein können.
Rollende Wellen
Doch Surfen ist nicht die einzige Sportart, die am Strand ausgeübt wird. Je länger ich die Australier beobachte und von ihnen erfahre, desto klarer formt sich das Bild. Sie sind zwar ein Volk der Autofahrer, die jede noch so kleine Distanz am liebsten im klimatisierten Wagen zurücklegen, aber messen sich gerne in allen möglichen Aktivitäten. Der Strand, der sich zu beiden Seiten bis an den Horizont erstreckt, ist Flaniermeile, Joggingstrecke und Austragungsort für Wettrudern und Staffellauf. Aber auch ohne Aktivität verzaubert der Anblick der heranrollenden Wellen: Stundenlang schaue ich Familien und Touristen dabei zu, wie sie zögerlich die Füße vom Wasser umspielen lassen. Ab und zu tönt das Megafon der Rettungsschwimmer: „Schwimmen Sie bitte nicht zu weit raus und bleiben Sie in der vorgegebenen Zone.“ Sie kennen die Begebenheiten des Wassers genau. An den einzelnen Badezonen stehen Schilder, auf denen ihre Analysen stehen. 25 Grad Wassertemperatur, unstabile Verhältnisse und kraftvolle Wellen. Trotzdem fühle ich mich vom Pazifik magisch angezogen und will möglichst den ganzen Tag dort verbringen – Frühstück und abendlichen Snack esse ich bevorzugt vor dem tosenden Pazifik. Nicht umsonst enthält der Ortsname an der Gold Coast den Zusatz „Paradis“.
Text und Fotos von Annica Müllenberg
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